Den Opa ins Büro mitnehmen ist auch keine Lösung

Bild von Gerd Altmann

"Vereinbarkeit von Pflege und Beruf".

Den Opa ins Büro mitnehmen ist auch keine Lösung

Der demographische Wandel stellt Unternehmen und Beschäftigte vor eine Riesenherausforderung. Die Doppelbelastung aus Job und Pflege zwingt viele Mitarbeiter in die Knie. Unternehmen riskieren, dass Fachkräfte ausfallen oder sich umorientieren. Der Wirtschaftskreis Hohenschönhausen-Lichtenberg WKHL e.V. geht mit guten Beispielen voran und fordert, endlich mehr für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf zu tun.

 

Der Kultursalon des WKHL e.V. im September war der Kick-Off, um die große gesamtgesellschaftliche Aufgabe anzupacken. Experten, Unternehmer und Betroffene haben gemeinsam Lösungen diskutiert, um Pflege und Beruf unter einen Hut zu bekommen. „Wir haben alle Fakten auf dem Tisch. Wir kennen die zehn Bedingungen für ein würdevolles Altern und wir sehen, wie sich die Arbeitswelt verändert“, beschreibt Karsten Dietrich, Vorstandsvorsitzender des Wirtschaftskreises Hohenschönhausen-Lichtenberg WKHL e.V. die Situation.

 

„Während bei der Elternzeit für Beschäftigte und Arbeitgeber alles planbar und gut geregelt ist, ist es bei der Pflegezeit genau anders: Es kommt ad hoc“, macht Petra Kather-Skibbe von der Beratungseinrichtung Kobra das Problem deutlich. Kather-Skibbe ist seit 20 Jahren auf Fragen der Arbeits- und Organisationsgestaltung spezialisiert und kennt das unübersichtliche Dickicht der Regelungen rund um die Pflege. Als Beraterin weiß sie: „Es kommt auf individuelle Absprachen an.“

 

Torsten Eckel, Vorstand der Wohnungsbaugenossenschaft Solidarität eG, hat unter seinen Mitarbeitern eine Umfrage durchgeführt. Ergebnis: Für ein Viertel der Belegschaft ist die Vereinbarkeit ein wichtiges Thema. Die Genossenschaft hat darauf reagiert: Mitarbeiter, die sich um Angehörige kümmern, können zum Teil mobil arbeiten und es gibt eine flexible Arbeitszeitgestaltung bis hin zu freien Tagen. Unternehmen seien aber oft noch zu defensiv, wenn es um die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf geht, findet der Vorstand der Wohnungsbaugenossenschaft Solidarität eG: „Oder haben Sie schon mal eine Stellenanzeige gesehen, in der Pflegesensibilität eine Rolle spielt?“

 

Für Christian Pälmke von der Fachstelle Pflegende Angehörige zeigt sich bei der Vereinbarkeit oft die „große Stärke der eher kleineren Betriebe.“ Dort würden sich die Beschäftigten sehr gut kennen. Das ermögliche kreative Lösungen. Petra Kather-Skibbe von der Beratungseinrichtung Kobra empfiehlt, sich frühzeitig über alle Möglichkeiten zu informieren, auch damit „der Arbeitgeber nicht überfahren sind“, wenn ein Pflegefall tatsächlich eintritt. Hilfe gibt es auf der Internet-Seite pflegezeit-berlin.de und in den Pflegestützpunkten.

 

WKHL-Vorstand Karsten Dietrich spielt den Ball ins Feld der Politik: „Die Lösung kann nicht allein bei den Familien liegen. Sie kann auch nicht alleine bei den Unternehmen liegen.“ Für Christian Pälmke vom Verband Pflegender Angehöriger ist ein Pflegegeld analog zum bestehenden Elterngeld die zeitgemäße Antwort. Die Lohnersatzleistung könnte aus Steuermitteln finanziert werden. „Schön wär‘s, wenn eine Quelle reicht“, merkt Karsten Dietrich an. Er spricht sich dafür aus, dass Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Krankenkassen, Pflegekassen und der Staat ein „echtes“ Pflegegeld gemeinsam finanzieren. Das dürfe dann aber nicht in gigantischem Behörden-Aufwand ausarten.

 

Zum Abschluss des Kultursalons werfen zwei Schauspieler mit ihrem Improvisationstheater ein Schlaglicht darauf, wie es um die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf im Jahr 2021 bestellt ist: In einer Szene bringt eine Mitarbeiterin wie selbstverständlich ihren alten, gebrechlichen Vater im Rollstuhl ins Büro mit. Die verwunderte, ja ablehnende Reaktion ihres Kollegen zeigt: Der Opa im Büro kann wohl nicht die Antwort auf eine älter werdende Gesellschaft sein.

 

Fakten

Allein in Berlin werden mehr als 106 000 meist ältere Menschen zu Hause betreut (Stand 2017).

 

Kontakt

Karsten Dietrich (Vorstandsvorsitzender WKHL e. V.)

Festnetz          030 9869 4486

Mobil              ?

Mail                info@wkhl-berlin.de

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